Ellen Drews 
Handanalyse

Leben und Trauer ...


In unserer Gesellschaft werden die Themen rund um Tod und Sterben weitgehend vermieden. Sie machen uns ANGST - daher tun wir alles, um uns nicht damit befassen zu müssen.  

Aber jeder von uns wird im Laufe seines Lebens irgendwann einmal mit dem Tod eines nahen Angehörigen und der Trauer über seinen Verlust konfrontiert.
Wir können den Tod nicht umgehen oder ignorieren ...

Gefühle, die wir bis dahin vielleicht noch nie oder nicht in dieser Intensität und Stärke erlebt haben, dominieren plötzlich unseren Alltag, unser Leben. 

Wir glauben, dass wir dem nicht gewachsen sind, dass wir diese Gefühle nicht ertragen zu können ... ja: wir glauben zuweilen, dass wir "nicht normal" sind oder sogar darüber "verrückt werden".

Um hier gegenüber diesen Gefühlen und auch körperlichen Reaktionen, die den Trauerprozess begleiten, besser begegnen zu können, beschreibe ich für Sie die einzelnen Phasen der Trauerarbeit.  

Vier Phasen der Trauerarbeit müssen wir durchlaufen, um wieder unser seelisches und körperliches Gleichgewicht zu erlangen.
Die einzelnen Trauerphasen können zuweilen ineinander übergehen, sich überlappen, in sich zusammen fallen und sich auch miteinander vermischen.  


Die 4 Stadien der Trauerbewältigung 

1. Phase: Verleugnen ... nicht-Wahrhaben-Wollen

Zunächst wollen wir nicht wahrhaben, dass der Mensch, der uns so am Herzen lag, verstorben ist und uns für immer verlassen hat. Alles scheint unwirklich, wie in Trance - wir stehen wie unter einem Schock.

 

2. Phase: Aufbrechende Gefühle

Wir spüren den vollen, gewaltigen Schmerz und die Verzweiflung und haben die Hoffnung aufgegeben. Wir leiden unterstarken und ständigen Gefühlsschwankungen, fangen aus heiterem Himmel an zu weinen. Unser Körper ist ebenso aus dem Gleichgewicht. Wir können nicht mehr schlafen oder das Gegenteil: es fehlt jegliche Motivation und wir kommen kaum noch aus dem Bett.
Wir können nicht ruhig sitzen oder uns kaum noch von der Stelle bewegen. Wir schlingen wahllos Essen in uns hinein oder bekommen keinen Bissen hinunter. Wir verspüren keine Freude mehr und glauben, wir könnten nie wieder glücklich sein.
Wir hadern mit dem Schicksal und fragen uns, womit wir das "verdient" haben. Wir empfinden Neid gegenüber anderen Menschen, die ihren Partner oder geliebten Menschen noch haben. Wenn uns jemand sein Beileid ausspricht oder seine Unterstützung anbieten will, reagieren wir gereizt.
Ständig kreisen unsere Gedanken darum, wie sehr wir den verlorenen Menschen vermissen und dass wir mit ihm nie mehr etwas Schönes erleben können. Wie ein Film erscheint uns das Leben - wir können einfach nicht mehr teilhaben.
Diese Phase ist die schmerzlichste und schwierigste Phase in der Trauerbewältigung.


3. Phase: behutsame Neuorientierung

Ganz langsam beginnen wir wieder damit, uns nach außen zu orientieren. Wir können uns zeitweise sogar wieder konzentrieren, auch hin und wieder so etwas wie Freude empfinden. Die Trauer und das Hadern mit dem Schicksal sind nicht mehr so intensiv. Dennoch sind da noch die starken Stimmungsschwankungen, die uns zu schaffen machen. Langsam gelangt auch unser Körper wieder in einen normalen Rhythmus.

4. Phase: neues Gleichgewicht


Wir gelangen zu neuem körperlichen und seelischen Gleichgewicht. Wenn wir zurück blicken und an die Vergangenheit denken, überkommt uns immer noch Wehmut und auch Schmerz - aber wir können wieder vertrauensvoll in die Zukunft blicken.
Den verstorbenen Menschen werden wir nie ersetzen oder vergessen können, aber wir können unseren Blick auf das richten, was unser Leben noch für uns bereit hält. Das Suchen einer neuen Lebensaufgabe oder das Probieren neuer Fähigkeiten hilft uns, den Alltag wieder zu bewältigen. Die Trauerarbeit ist beendet ...

 

Heilt die Zeit alle Wunden?

 

Die einzelnen Phasen der Trauer durchlaufen wir nicht automatisch. Es gibt in jeder Phase auch Menschen, die dort verharren ... die stecken bleiben. Sicher kennen auch Sie Menschen, die scheinbar nur in der Vergangen-heit leben. Oder andere, die den Rest ihres Lebens damit verbringen, mit ihrem Schicksal zu hadern ...

Manche Menschen unterdrücken ihre Trauer mit Alkohol oder Tabletten, wieder andere reagieren mit psychosomatischen Beschwerden. 

Alkohol und Medikamente sind jedoch allenfalls vorübergehend eine Hilfe bei der Trauerarbeit - auf Dauer würden sie die Trauerarbeit behindern ... auch das Abkapseln und Alleinsein erleichtert die Trauerarbeit nicht.

Trauern - wie geht unsere Gesellschaft damit um? 

Manche gesellschaftliche Regeln können uns die Trauer noch schwer machen ... es wird allgemein erwartet, dass wir "stark" sind, wenn ein naher Angehöriger stirbt und unsere Gefühle nicht zeigen.
Wer hat nicht schon einmal Sätze gehört wie: "Die Zeit heilt alle Wunden" oder "Das Leben muss weiter gehen."

 

"Lass dich nicht hängen" oder "Es wird Zeit, dass du darüber hinweg kommst" ... das Gegenteil kann ebenso eintreffen, wenn ein Mensch sich in den Augen der anderen relativ schnell wieder fängt und versucht, wieder unbeschwert zu sein. Dann munkeln die Menschen in der Umgebung leicht, man könne seinen Partner nicht wirklich geliebt haben, wenn man ihn so schnell "vergisst" - so wird man in der Trauer beobachtet und bemessen.

Andere Menschen in nicht-europäischen Ländern gehen ganz anders mit dem Tod um. All das, was wir während der Trauer erleben, aber in unserer Gesellschaft kaum ausdrücken dürfen, ist dort erlaubt oder wird sogar erwartet: man darf klagen, weinen, schlaflos sein, nicht arbeiten-wollen, keinen Appetit haben, man darf sich auch mal von anderen Menschen zurückziehen, auch zeitweise sein Äußeres vernachlässigen. Für die Betroffenen gibt es zahlreiche Rituale, mit deren Hilfe sie ihre Trauer zum Ausdruck bringen können. Schwere Depression oder andere ungesunde Prozesse haben so kaum die Gelegenheit, sich einzunisten und zu verfestigen.


TRAUER und GEFÜHLE zulassen - das ist ein wichtiger und notwendiger Bestandteil der Trauerarbeit.